Eine ganze Weile habe ich überlegt, wie und was ich zum derzeit allgegenwärtigen Thema Rassismus sage. Zuerst war meine Tendenz, zu schweigen, um denjenigen Raum und eine Stimme zu geben, die das Thema in erster Linie betrifft: Schwarze Menschen, Afroamerikaner*innen, Menschen, die Polizeigewalt erlebt haben, Menschen, die systematisch diskriminiert und ihrer Stimme beraubt werden.
Aber dann ist mir klar geworden, dass das falsch ist.
Denn jetzt kommt es darauf an, dass jeder, aber auch wirklich jeder einigermaßen humanistisch denkende Mensch seine Stimme gegen Rassismus erhebt. Jetzt kommt es darauf an, dass der empathische und antirassistische Teil der Gesellschaft sich solidarisch mit Minderheiten zeigt.
Ja, wir müssen endlich schwarzen Menschen zuhören, ihnen Raum, Öffentlichkeit und Sichtbarkeit gewähren. Aber das bedeutet nicht, dass wir es uns hinter unseren Rechnern gemütlich machen und schweigend dazu nicken sollen.
Vielmehr geht es darum, geschlossen nebeneinander zu stehen und dafür zu sorgen, dass wir Rasissmus keinen Fußbreit Boden mehr gewähren.
Es reicht nicht, nur unrassistisch zu sein. Wir müssen aktiv antirassistisch sein.
Viele Menschen, gerade in Deutschland, erkennen Rassismus selbst dann nicht, wenn er sich direkt vor unserer Nase abspielt. Viele Menschen unterschätzen, welch zerstörerische Wirkung rassistische Mikroaggressionen haben. Viele Menschen begreifen nicht, unter welcher Angst, unter welchem Druck Minderheiten täglich leiden.
Diesen Menschen, so wohlmeinend sie sein mögen, müssen wir zeigen, was Rassismus wirklich ist, welche Auswirkungen er hat und was man dagegen unternehmen kann.
Dann gibt es solche, die ziemlich systematisch Rassismus negieren und ihn damit erstarken lassen. Menschen, die bewusst die Aufmerksamkeit vom Thema ablenken, indem sie sagen: „All Lives Matter – Alle Leben zählen.“ Oder: „Ich bin ja kein Rassist, aber…“. Oder sie sagen: „Jetzt ist es auch mal gut, mit dem Schuldkomplex“. Oder auch: „Aber was ist mit Rassismus gegen Weiße?“
Die Wirkung, die solche Aussagen haben, ist nicht zu unterschätzen.
Die Aussage „All Lives Matter“, fühlt sich für Rassismusopfer so an, als ob man schwer verletzt auf der Straße liegt und um Hilfe ruft und dann kommt jemand und erzählt, dass er heute auch ein wenig Kopfschmerzen hat.
Und dann gibt es noch die Täter. Diejenigen, die zur Waffe greifen. Jene, die ihr Knie gegen eine Halsschlagader pressen, bis der Tod eintritt. Jene, die sich ihren Weg zur Kirche mit Tränengaskartuschen freischießen lassen, damit sie sich dort profilieren können. Diejenigen, die mit Hakenkreuzflaggen posieren, den Holocaust leugnen, die rechte Hand nach oben strecken und Höcke gut finden. Rassisten eben.
Doch wenn es um Rassismus geht, sind sie die Spitze des Eisbergs. Sie sind diejenigen, die wir im Allgemeinen mit Rassismus gleichsetzen. Und weil die meisten von uns weder Waffen in ihre Pickups laden, noch unverhohlen Minderheiten hassen, wähnen wir uns auf der sicheren, der unrassistischen Seite. Sind wir auch.
Doch nun ist es eben nicht mehr damit getan, nicht rassistisch zu sein. Genauso wie es heutzutage nicht mehr reicht, einfach nur seinen Müll zu trennen. Jetzt geht es darum, aktiv antirassistisch zu sein. Uns dem Rassismus in den Weg zu stellen, wo immer er uns begegnet.
Wir können damit anfangen, schwarze Autor*innen zu lesen. Zuzuhören, wenn Menschen mit Migrationshintergrund ihre Sicht der Dinge erklären. Aufzuklären, wenn wir wieder mal hören „All Lives Matter“. Und Solidarität und Zivilcourage zu zeigen, wann immer wir Zeuge von rassistischen Übergriffen werden.
Ich bin dankbar und froh, mit dem Hoffmann&Campe / Atlantikverlag einen Verlag zu haben, der sich aktiv gegen Rassismus positioniert und der mit zahlreichen schwarzen Autor*innen ein Zeichen für Vielfalt setzt. Einige Titel möchte ich euch hier ganz besonders ans Herz legen: