Heute fehlen mir beinahe die Worte, aber wenn wir keine Worte für das finden, was geschehen ist, wie können wir dann anfangen darüber nachzudenken, wie wir damit umgehen wollen?
Also Worte: Terror, Krieg, Geiseln, Menschenrechtsverletzungen, Genozid, Staatsterrorismus, Faschismus, Hass, Antisemitismus. WiegehtesdirIchkannnichtmehrWannhörtesauf – ich bewege mich in einer Kakophonie des Traumas, meine Gedanken verfangen sich in einem Netz aus unzubeantwortenden Fragen nach Was können wir tun; alles was ich tue ist darüber reden ununterbrochen, manchmal schreibe ich darüber, aber das Schreiben bewirkt, dass ich Angst bekomme, weil ich über Trauma schreibe und alles ist zu nah und zu stark und ich merke, wie ich die Hoffnung verliere, mit jedem Tag und jeder Bombe ein Stück mehr.
WiegehteseuchWirkönnennichtmehrWannhörtesnuraufBetefüruns. Ich verspreche zu beten weil man das so sagt bei uns Inshallah hört es bald auf, wenn Gott will aber das ist Schwachsinn, höre ich mich denken, weil es erst aufhört, wenn sie es wollen. Wenn die, die uns das eingebrockt haben, endlich beschließen, dass es aufhört, dann hört es auf und es hört nicht auf solange die nicht wollen, dass es aufhört. Bibi will den totalen Sieg, hat er gesagt, es wundert mich nicht, das sind Faschisten in dieser Regierung. Hamas, Hisbollah, die fucking Mullahs wollen den totalen Sieg von den Bergen bis ans Meer und darüber hinaus, ich halte das nicht aus, wer hat denen allen ins Gehirn geschissen?
Meine Wut kommt immer, wenn ich mich sehr hilflos und sehr am Abgrund fühle, sie schützt mich, ich fluche dann, damit ich nicht weinen muss. Ich weine trotzdem, weil ich immer weine, wenn ich wütend bin, das ist chronisch bei mir. Ich weine immer heimlich, manchmal weine ich beim Kochen und dann schalte ich die Dunstabzugshaube an, damit das Kind mich nicht hört.
Mama weinen sagt er, er sagt es oft und ich sage dann, alles gut. Alles gut?, fragt er und ich sage, ja alles gut, aber nichts ist gut. Ich denke an die Kinder in den Tunneln, an das Baby. Ich denke an die Mütter in den Tunneln und an die Väter und Großväter. Ich denke an die Kinder unter den Trümmern, ich kann nicht mehr. Alles ist gut, sage ich und dann stehe ich auf und mache weiter als ob nichts wäre, weil ich schließlich weiter machen muss, es geht nicht anders. Wie machen wir weiter, frage ich mich. Wohin führt das jetzt, frage ich mich.
Irgendwann wird es Frieden geben, höre ich mich in einem Interview sagen, der Journalist schaut mich mitleidig an, aber ich sage es nochmal. Weil ich es sagen muss. Wann kommt der Frieden, fragt mich eine Frau auf einer Lesung und ich schaue sie mitleidig an, weil sie wahrhaftig eine Antwort von mir erwartet und ich sage, ich weiß es nicht.
In Israel spricht keiner mehr von Frieden, in Gaza und im Libanon auch nicht, dort hauen sie dir eine rein, wenn du anfängst, laut darüber nachzudenken, weil Frieden ein Wort ist, das man nicht benutzt im Krieg. Man kann nicht über Frieden sprechen, wenn man jeden Augenblick von einer Bombe getroffen werden kann, dann kann man nicht sprechen, man ist beschäftigt, zu überleben. Ich habe das Problem nicht, auf mich fallen keine Bomben, ich habe Überlebensschuld, das ist eine Form des Traumas für die man sich schämt, sehr sogar.
Ich kann über Frieden sprechen, manchmal denke ich, ich muss es sogar. Wenn ich es tue vor einem Publikum aus Deutschen, dann klatschen alle und weinen vor Rührung aber diejenigen unter uns, die Bescheid wissen, klatschen nicht, sie nicken nicht mal, sie schauen mich ernst an aus dunklen, tränenlosen Augen und ich schaue zurück und ich sage, wir müssen über Frieden sprechen. Wir müssen über Frieden sprechen, weil wenn wir nicht darüber sprechen, hat der Krieg gewonnen.
Wir müssen über Frieden sprechen und es darf kein Tabu sein, wir müssen über Frieden sprechen, weil wir ein Ziel brauchen und das Ziel muss Frieden sein, egal wie fern er ist.
Wir müssen über Frieden sprechen, weil wenn wir nicht darüber sprechen, haben die gewonnen, die keinen Frieden möchten, sondern Sieg.
Wir müssen über Frieden sprechen, aber wir dürfen nicht nur darüber sprechen, wir müssen der Frieden sein.
Wir müssen der Frieden sein, weil die es nicht sind, die sind der Krieg und wir sind der Frieden und wir müssen siegen, sonst hat der Krieg gewonnen.
Wir müssen über Frieden sprechen.